Metropolen für die Wohnzimmerwand

Die farbenfrohen Illustrationen von Nina Simone Wilsmann vermitteln einem das Gefühl, in die Metropolen dieser Welt einzutauchen. Egal ob als fröhliche Orientierungshilfe oder einmalige Erinnerung, mit Städte-Postern holt man sich das besondere Flair von Großstädten wie Barcelona, Wien oder London nach Hause.

In ihrem Onlineshop vianina.com vertreibt sie Erinnerungen an die schönsten Plätze der Welt. Doch wie kam die gebürtige Bayerin auf die Idee, und was hat sie ausgerechnet nach Wien verschlagen? Teresa Sposato hat mit der Illustratorin geplaudert und herausgefunden, dass alles am malerischen Inn begann.

Graphische Revue: Was fasziniert dich an Stadtkarten?

Nina Simone Wilsmann: Bereits als Kind liebte ich es, in unserem Atlas zu blättern und diesen ausgiebig zu studieren. Mich faszinierte es, von daheim aus andere Länder und Städte zu erkunden. Später, als ich dann das Reisen für mich entdeckte, fehlten mir bei allen Plänen das Wuseln, das bunte Treiben sowie der jeweilige Charme der Städte.

Und so entstand dann Vianina?

Nun ja, fast. Meinen ersten Stadtplan habe ich von meiner Heimatstadt Wasserburg am Inn angefertigt. Aber nicht, weil ich unbedingt einen Stadtplan zeichnen wollte, sondern weil dieser meine Bewerbungsmappe für einen Job als Grafikerin in Wien zieren sollte. Und weil der Inn bei uns im Ort so eine hübsche Schleife zieht, war das ideal als erste Stadtkarte.

Und? Hast du den Job bekommen?

Oh ja, und ich bin dann nach Wien gezogen und habe dort drei Tage im Designbüro gearbeitet und zwei Tage als selbstständige Grafikerin. Diese Mischung aus Sicherheit und Flexibilität war anfangs genau das Richtige für mich, und so kannte ich es auch aus meiner Zeit in Augsburg, wo ich nach meinem Studium »Kommunikation und Design« neben meiner Arbeit im Grafikbüro auch erste eigene Kund*innen bedient habe. Doch nach vielen Jahren in Augsburg war Veränderung angesagt. Und meine Eltern brachten mich auf die Idee mit Wien, und hier bin ich. 

Wann wusstest du, dass du dich nur auf Vianina konzentrieren solltest? 

Das war ein Prozess. Der Startschuss war definitiv meine Bewerbung und der damit einhergehende Umzug nach Wien. Um hier nämlich eine Orientierung zu bekommen, habe ich die Stadt in diesem besonderen Stil gezeichnet. Bei den Farben orientierte ich mich an dem Wappen der Stadt und anderen typischen Dingen. Ich zeigte die Illustration meinen Freund*innen und Bekannten, und ich war überrascht, wie begeistert sie waren. Da spürte ich das erste Mal, dass da mehr dahinter sein könnte, und ich begann, auch andere Städte zu illustrieren: Hamburg und Berlin.

Wie war es für dich, als diese erste Serie von dir Preise abgeräumt hat?

Das war ein unglaubliches Gefühl. Ich habe die Serie ja bei »100 beste Plakate« eingereicht – eigentlich nur aus Spaß und Neugier –, und ich war tatsächlich unter den 100 Gewinner*innen. Das führte dann dazu, dass meine Pläne im MAK in Wien ausgestellt wurden und ich schließlich auch noch mit dem Joseph Binder Award und dem German Design Award honoriert wurde. Das war wirklich etwas Besonderes für mich, und dennoch dachte ich damals noch lange nicht über eine kommerzielle Nutzung der Pläne nach.

Und wie kam es dann schlussendlich zu dem Onlineshop von Vianina?

Die Leute haben einfach immer öfters gefragt, wo die Sachen zu kaufen sind, und da war der Onlineshop der nächste logische Schritt. Ich hatte da bereits weitere Pläne von Paris und New York gezeichnet und diese auch zum Beispiel auf den Fesch’märkten in Wien vertrieben. Seit 2015 würde ich aber sagen, dass ich ausschließlich für und an Vianina arbeite, und ich freue mich auf alles, was noch kommt.

Wie viel von deinen Städteporträts hast du selbst erlebt?

Viele. Reisen zählte immer schon zu meinen absoluten Leidenschaften. Ich habe auch das Glück, einen Job zu haben, der von überall aus machbar ist, und so habe ich eine Zeit in Mexiko gelebt und gearbeitet und auch in Budapest. Während des Studiums lernte und arbeitete ich in Barcelona, und diese Zeiten sind es auch, die mich zu Vianina inspirieren. Denn wenn du in einer Stadt lebst und arbeitest, spürst du das Flair und den Spirit dahinter. Und genau das möchte ich mit meinen Stadtplänen zum Ausdruck bringen.

Wie bist du auf den Namen Vianina gekommen?

Ich habe mir monatelang Namen überlegt, und eines Tages – schwupp – kam mir Vianina in den Sinn. Anfangs wollte ich ihn gleich wieder verwerfen, weil er mir zu einfach erschien. Aber dann sah ich immer mehr die Bedeutung darin und wie treffsicher er für mich und meine Stadtpläne war. Es gefällt mir außerdem sehr, dass er irgendwie wie eine römische Straße klingt. Und: Er ist freundlich. Das ist mir ein ganz großes Anliegen, denn ich möchte ein Stück der Freundlichkeit und Fröhlichkeit von Großstädten vermitteln.

Apropos vermitteln: Was ist die Intention von Vianina? Was möchtest du damit bewirken?

Ich möchte meinen Kund*innen das gleiche Gefühl geben, das ich als Kind beim Betrachten meiner Atlanten hatte: eine Mischung aus Neugier, Vorfreude und kindlichem Entdeckertum. Ich stelle meine Sachen ja auch auf Märkten aus, und da finde ich es so schön, wenn Leute meine Pläne im Detail betrachten und sich freuen, eine Sehenswürdigkeit zu entdecken, die Ihnen etwas bedeutet. Man hat so viele Erinnerungen an Städtetrips, die dadurch wieder ein Stück weit zum Leben erweckt werden.

Und wenn wir jetzt deinen Rechner aufklappen würden, an welchem Plan arbeitest du gerade?

Da würdest du den Entwurf von Zell am See und Florenz sehen.

Das sind aber keine Metropolen im klassischen Sinn, oder?

Nein, aber genau das macht es ja so spannend. Einen kleinen Ort zu illustrieren unddie Tradition und Urigkeit einzufangen, ist da die Herausforderung. Ich habe bereits vor zwei Jahren mal für den 5. Bezirk ein Projekt realisiert. Auch hier ging es nicht darum, die ganze Stadt zu illustrieren, sondern eben nur den Bezirk. Die Pläne druckten wir auch auf Turnsackerln und Notizbücher, und es ist ein echt cooles Gefühl, wenn dann in der U-Bahn vor mir jemand mit dem Turnsackerl geht.

Was ist dein absolutes Lieblingsprojekt?

Da gibt es zum Glück ein paar. Aber wenn ich eines herauspicken müsste, dann wäre das ein Projekt mit Sony aus dem Jahr 2014.

Hier habe ich eine Wienkarte gezeichnet, die dann die Rückseite des neuesten Tablets zierte. Die Herausforderung war natürlich die Einfarbigkeit der Gravur. Das und die Zusammenarbeit mit Sony machten das Projekt zu meinem Favoriten.

Wie entsteht so ein Stadtplan? Wie viel Recherche steckt da dahinter?

Sehr, sehr viel. Gerade in Städten, die ich nicht so gut kenne, recherchiere ich wochenlang, um mir einen guten Eindruck von Land und Leuten zu verschaffen. Aktuell zeichne ich Florenz, und da beschäftige ich mich stark mit der Renaissance, den Medici und versuche, in die Stadt einzutauchen.

Und dann geht es ans Zeichnen?

Ich versuche immer einen Ausschnitt zu finden, der möglichst viel Interessantes und nicht zu viel Peripherie zeigt. Dabei hilft es mir, wenn ich als Orientierung einen echten Plan, also Google Maps, darunterlege. Die Pläne sollen nämlich nicht nur charmant sein, sondern auch realistisch und informativ. Das ist mir ganz wichtig.

Wie wählst du die Farben aus? Sie vermitteln immerhin auf den ersten Blick die Stimmung.

Die passenden Farben sind in meiner Arbeit entscheidend, um das Flair einer Stadt zu illustrieren. Diese stehen gleich zu Beginn fest, ganz selten ändern sie sich noch im Prozess. Ich orientiere mich da entweder an dem Wappen, in Florenz aktuell an dem der Medici, also Rot und Gelb. Bei Rom habe ich zum Beispiel die italienische Flagge genommen und Braun für den herrlichen Kaffee und Türkis für die typischen Vespas dazugenommen. In London die Farben des Union Jacks. Bei all meinen Karten arbeite ich meist mit vier Farben, um genügend Kontraste und Klarheit zu erhalten. Ich achte auch darauf, dass die gleichen Farben sich nicht berühren und Highlights mit der stärksten Farbe gezeichnet werden.

Und wo beginnst du bei so einem Stadtplan? Ich stelle mir den ersten Strich am schwersten vor.

Fast alle Städte liegen an Gewässern, also beginne ich meistens damit. Im Anschluss füge ich dann die wichtigsten Sehenswürdigkeiten hinzu.

Womit zeichnest du deine Pläne?

Mit der Hand. Ich benutze dazu mein Grafiktablet samt Stift und zeichne auch alle Gebäude mit der Hand frei in Illustrator. Das war aber nicht immer so. Zu Beginn habe ich noch viel gröber gearbeitet und mit der Maus gezeichnet. Heute ist mein Stil weitaus präziser und feiner geworden. Über die Zeit bekommt man einfach mehr Routine und Sicherheit, wodurch sich auch meine Pläne im Laufe der Jahre weiterentwickelt haben. Bei den Gebäuden gilt es die perfekte Schnittmenge aus Detailgenauigkeit und Minimalismus zu finden.

Wie gelingt dir das?

Nicht immer gleich gut. Denn auch ich neige dazu, dass ich manche Dinge einfach zu kompliziert denke bzw. zu komplex zeichne. Ich gehe dann immer wieder drüber und entferne unnötige Details und vereinfache detailreiche Illustrationen. Früher habe ich im Corporate-Design-Bereich gearbeitet, und da habe ich die Kunst gelernt, alles, was die Ästhetik oder Botschaft behindert, wegzulassen. Dieser Minimalismus bzw. diese Klarheit bedeutet für mich, mit so wenigen Strichen wie möglich so viel zu zeigen wie möglich. Oft hilft es auch, wenn ich mir im Designprozess alles auf Papier ausdrucke. Durch den neuen Blickwinkel kann ich mit dem nötigen Abstand hinsehen.

Zeichnest du gerne auf Papier?

Ich liebe es, auf Papier zu zeichnen. Aber bei den Plänen ist es halt praktisch mit dem Illustrator, weil ich dort laufend Dinge verändern kann. Ich kann so alles optimieren und korrigieren und wieder zurück optimieren, bis ich damit zufrieden bin.

Und wenn du dann zu 100 Prozent zufrieden bist? Wie geht es dann weiter?

Dann geht es ans Drucken. Es ist immer wieder so eine schöne Sache, wenn ich meine Pläne dann ausgedruckt in Händen halte. Ich arbeite viel mit Naturpapieren und Recyclingpapier. Ich mag erstens die Haptik, und natürlich gefällt mir der ökologische Gedanke dahinter. Die leicht raue Oberfläche ermöglicht es, satte Farben zu drucken. Beim Drucken finde ich Siebdruck am schönsten, und wir haben auch die Weltkarte und die Wienkarte im Siebdruckverfahren gedruckt. Das gibt dem Ganzen noch einmal eine ganz andere Haptik. Auch bei den Textilien werden per Siebdruck meine Illustrationen auf Biobaumwollstoffe gedruckt. Mit Veredelungen haben wir – bis auf die Karte der Goldenen Stadt Prag – noch nicht gearbeitet. Aber wer weiß, was noch kommt.

Nina, vielen Dank für dieses Gespräch!