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Ex Augsburg ist ein Magazin von Studenten über ehemalige Studenten der Technischen Hochschule Augsburg 

Von Wasserburg nach Wien. Mit einer kurzen Zwischenstation in München und einer längeren in Augsburg. Von all den Orten – außer von Augsburg – hat sie Pläne gezeichnet. Stadtpläne, die es so noch nicht gab. Denn Nina bildet nicht nur Straßen, Flüsse und Häuser ab, sondern illustriert Orte und erzählt dabei Geschichten. Für diese vielfach ausgezeichneten City Maps hat sie mittlerweile ein eigenes Label gegründet: Vianina – Maps to the heart. Wie es dazu kam und warum sie sich für ein Design und gegen ein Kunstgeschichtestudium entschieden hat, erzählt Nina im Interview. Außerdem erfahren wir, warum sie montags immer Reiten geht und wieso man als selbstständige Designerin lieber tagsüber als nachts arbeiten sollte. 

STADT STATT STÄDTCHEN

Wien, dritter Bezirk. zwischen Donaukanal und Schloss Belvedere liegt Ninas Atelier. Dort werden wir am frühen Morgen mit einem strahlenden Lächeln empfangen. Nina führt uns durch ihr wunderschönes Atelier hinauf in den ersten Stock, wo Teeküche, Schreibtisch und eine kleine Sitzecke Platz finden. Eine Stunde lang werden wir und hier mit ihr unterhalten. Los geht's! 

DU HAST ZUNÄCHST KUNSTGESCHICHTE IN MÜNCHEN STUDIERT UND HAST DANN ZU KOMMUNIKATIONSDESIGN GEWECHSELT. WARUM?

Bei der Berufsberatung haben sie gesagt, dass man beim Grafikdesign Ellbogen braucht. Das und diese ganzen Aufnahmeprüfungen haben mich ziemlich verunsichert. In meinem ersten Studium habe ich eine Weile die Kurse besucht und gemerkt, dass mir das einfach zu theoretisch ist. Ich wollte aber etwas Praktisches machen. Deswegen wurde es Design und nicht Kunstgeschichte.

WARUM DANN AUGSBURG UND NICHT MÜNCHEN?

Augsburg hatte damals einfach den besseren Ruf. In unserer WG hatten wir vom ersten Tag an Partys und es war irgendwie genau das Gegenteil von München, wo ich mich nie richtig zuhause gefühlt habe. 

HAST DU NOCH ANDERE BESONDERE ERINNERUNGEN AN AUGSBURG? 

Ja, jede Menge. Wir waren damals noch im Gammelbau, also im alten Krankenhaus. Das war eine total lustige Zeit. Wir hatten Kalligraphieabende, wo die Holzbeize an die Wand geflogen ist. Die Leute haben teilweise in der Vorlesung geraucht. Du konntest dich total austoben, das finde ich irgendwie gut.

DU BIST JA SCHON FEST IM BERUFSLEBEN VERANKERT. WAS SOLLTE MAN RÜCKBLICKEND UNBEDINGT WÄHREND DES STUDIUMS MACHEN? 

Ins Agenturleben reinschnuppern. Viele mussten nach dem Abschluss erst mal ein Praktikum machen, das musste ich nicht, weil ich schon total viel Erfahrung hatte. Dadurch ist mir der Start ins Berufsleben leichter gefallen. Ebenso das Auslandssemester, andere Länder kennenlernen, wie machen es andere Grafikdesignstudenten. Das ist eines der prägendsten Dinge, die man tun kann. 

WELCHE ERFAHRUNGEN KONNTEST DU BEI DEINEN ARBEITGEBERN SAMMELN? 

Sehr unterschiedliche. Gute, aber auch nicht so erfreuliche. Ich bin total froh, dass ich jetzt selbstständig bin, aber gerade in den ersten Jahren lernt man unglaublich viel von seinen Chefs und Kollegen. Ich habe bewusst nie in großen Agenturen gearbeitet, das hat mich nicht interessiert, ich wollte immer alles mitkriegen. Angebotslegungen, Druckanfragen - das sind zwar manchmal eher die langweiligeren Sachen, aber das macht es aus, dass man Projekte von A bis Z richtig durchzieht. Ebenso Kundenkontakt, ich finde es total wichtig, dass man lernt mit Kunden umzugehen, und das habe ich in der Zeit definitiv. 

DU HAST DEN DIREKTEN VERGLEICH ZWISCHEN SELBSTSTÄNDIGER- UND AGENTURARBEIT. WAS SCHÄTZT DU JEWEILS DARAN? 

In der Agentur hast du natürlich viel weniger Verantwortung und kriegst jeden Monat deine Kohle überwiesen. Ein Nachteil ist, dass du die Arbeitszeiten nicht frei wählen kannst. Das finde ich sehr unnatürlich, gerade in unserem Beruf. Kreativität geht nicht auf Knopfdruck. Bei der Selbstständigkeit bedarf es Selbstdisziplin und Organisationstalent. Aber ich finde die Freiheit einfach das Beste daran. 

WARUM WAR ES DAMALS WIEN UND NICHT HAMBURG ODER BERLIN? 

Lustigerweise wollte ich nach Berlin oder Hamburg. Allerdings wurde ich mit Berlin nicht so hundertprozentig warm. Hamburg wäre noch eher meine Wahl gewesen. Nachdem mein Vater vorschlug, ich solle doch nach Wien gehen, habe ich Initiativbewerbungen losgeschickt und wurde tatsächlich zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Es hat vom ersten Moment an gut gepasst und so ist es halt Wien geworden. 

WAS WÜRDEST DU ALS DEIN FACHGEBIET BEZEICHNEN? 

Das ist eine interessante Frage. Das überlege ich mir auch immer wieder. Ich liebe es, Logos zu gestalten. Aber das mit den Stadtplänen wird einfach immer mehr, für Sony habe ich gerade diese Tablet- Illustration gemacht und mein Shop läuft auch immer besser. Das mit den Stadtplänen ist ein ganz anderes Business. Es ist zwar manchmal anstrengend, beides zu machen, aber genau die Abwechslung ist das Schöne daran. 

WIE BIST DU DENN GENERELL DARAUF GEKOMMEN, STADTPLÄNE ZU ILLUSTRIEREN? 

Ganz früher in der Schule habe ich immer, wenn mir langweilig war, einfache abstrakte Formen aneinandergesetzt. Für meine erste Bewerbung wollte ich mich mit meinen Wurzeln vorstellen. Im Zuge dessen habe ich mich wieder an diesen Stil erinnert und meine Heimatstadt Wasserburg illustriert. Weil mir das so viel Spass gemacht hat und auch sehr gut ankam, habe ich später, als ich dann in Wien war, auch diese Stadt illustriert. Was den Vorteil hatte, dass ich mich auch gleich viel besser ausgekannt habe.

MÜSSEN DIE STÄDTE GEWISSE KRITERIEN ERFÜLLEN, UM VON DIR ILLUSTRIERT ZU WERDEN? 

Ja. Ich habe am Plan von Hamburg gemerkt, dass das Wasser eine extreme Rolle für die Gliederung bzw. Strukturierung spielt. Ebenso sollten es für mich Städte sein, die aus wirtschaftlichen Gründen gut funktionieren, Städte die touristisch begehrt sind, lassen sich natürlich besser verkaufen. 

WIE LANGE BRAUCHST DU FÜR EIN PLAKAT UND KANNST DU DAVON LEBEN? 

Ich arbeite meistens etwa drei Monate an einem Plakat und ja, ich könnte inzwischen fast davon leben. Das ist unglaublich schön. 

HAST DU EINEN LIEBLINGSSTADTPLAN? 

Ich habe das Gefühl, bei jedem Plan verändert oder entwickelt sich mein Stil. Momentan ist es Barcelona. Zum einen habe ich dort drei Monate gelebt und zum anderen haben mich die Farben vom Park Güell von Gaudí inspiriert. Da hat so viel zusammengepasst, dass ich damit total happy bin. 

GLÜCKWUNSCH ZU DEN AUSZEICHNUNGEN FÜR DIE PLAKATE. WIE WICHTIG SIND SIE FÜR DEIN BERUFSLEBEN? 

Dankeschön! Ich dachte immer, das wäre nicht wichtig, aber lustigerweise ist es das schon. Also nicht, dass es nicht ohne geht, aber als ich zum ersten Mal bei „100 Beste Plakate“ unter den Gewinnern war, ist es losgegangen. Leute haben mich angeschrieben, wo man das kaufen kann und so weiter. Es macht Türen auf und man bekommt viel mehr Aufmerksamkeit. 

DEIN LABEL HEISST VIANINA. WAS BEDEUTET DER NAME? 

Ich bin mal über die „Via Nina“ gestolpert, eine Straße, bei der man nicht genau weiß, ob es sie überhaupt gegeben hat und das war so ein AHA-Moment. Ja genau, das ist es. Das ist irgendwie mein Weg, es hat diesen Bezug zum Stadtplan und dann steckt ein bisschen Vienna drin. Das hat einfach so cool gepasst. Und dann war die Domain frei – Jackpot! [lacht] 

WORAN ARBEITEST DU GERADE? AN DEN ILLUSTRATIONEN FÜR SONY? 

Die sind schon seit einer Weile abgeschlossen. Danach kam die Gravur und jetzt ist gerade die Pressephase. Darum muss ich mich nicht mehr kümmern. Dann arbeite ich jedes Jahr für ein lustiges Event namens „Österreichisches Blasmusikfest“. Das wird von der Kulturabteilung Wien veranstaltet. Die kamen wiederum durch die „100 beste Plakate“ auf mich zu. Ich sollte die Plakate gestalten. So auch dieses Jahr. Und ganz aktuell arbeite ich an einem Logo plus Corporate Design für ein Modelabel in Deutschland. 

HAST DU EHER NACHTS ODER MORGENS DEINE AKTIVE PHASE? 

Also, ich bin keine Frühaufsteherin, aber das Nachts arbeiten habe ich mir auch wieder abgewöhnt. Tagsüber ist einfach die Zeit, in der dich Leute kontaktieren. Wenn du nachts arbeitest, hättest du eigentlich einen Rund-um-die-Uhr-Job. 

INWIEWEIT NIMMST DU DEINEN JOB MIT NACH HAUSE? KANNST DU HIER DIE TÜR ABSCHLIESSEN UND SAGEN, DAS WAR’S? [lacht] 

Nein, das kann man nie. Das ist ein Problem. Daran muss man wirklich arbeiten. Du bekommst auch wirklich Schlafstörungen, weil dein Hirn einfach nicht aufhört zu rattern. Deswegen gehe ich montags zum Reiten, das ist perfekt zum Abschalten. Trotzdem kommen die besten Ideen oftmals zu den unmöglichsten Zeiten. Auch nachts. Ist leider so. Man muss mit der Zeit lernen, wieder loszulassen. Das ist wichtig. Sonst wird man wahnsinnig. 

WAS WÄRST DU GEWORDEN, WENN DU NICHT DESIGN STUDIERT HÄTTEST? 

Das ist lustig. Ich bin total froh, dass es in Augsburg damals geklappt hat. Ich hatte keinen wirklichen Plan B. 

DA DU GERNE LIEST. HÄTTEST DU EINEN LEKTÜRETIPP FÜR UNS, EINE ART DESIGNRATGEBER? 

Ein absolutes Muss, ist für mich dieser fette Wälzer „Detailtypografie“, wo wirklich jede kleinste Regel der Typografie vermerkt ist. Auch wenn das vielleicht nur drei Prozent der Weltbevölkerung bemerken, aber Mikrotypografie finde ich extrem wichtig. Gerade wenn man in Augsburg studiert hat. Das sollte man haben und auch immer wieder reinschauen, wenn man nicht weiß, wie man bestimmte Zahlenkombinationen trennt oder wo welche Geviertstriche hingehören. Ich sehe das sofort, wenn das nicht richtig gemacht ist. Das ist der Nerd-Teil an unserem Beruf, aber das macht einfach das letzte i-Tüpfelchen an Qualität aus. Wenn man das mal intus hat, dann kostet das nicht viel Zeit und man schläft besser. [lacht] 

DANKE FÜR DIESEN SCHÖNEN SCHLUSSSATZ! 

Sehr gerne! 

HERZLICHEN DANK FÜR DAS INTERVIEW SAGEN ELENA TSCHAFFON UND RONJA WEBER.